Wie definiert sich Männlichkeit im Allgemeinen und schwarze Männlichkeit in sozial schwachen amerikanischen Gegenden im Besonderen? Regisseur Barry Jenkins und Drehbuchautor Tarell Alvin McCraney sind dieser Frage im Spielfilm „Moonlight“ nachgegangen. Entstanden ist eine Coming-of-Age-Geschichte, die bewegt aber niemals auf die Tränendrüse drückt. Obwohl es reichlich Stoff zum Weinen gäbe, denn der kleine Chiron oder „Little“ wie er im ersten des sich in drei Teile gliedernden Film genannt wird, ist seit frühester Kindheit ein Außenseiter. Von den Mitbewohnern seines Wohnbezirks Liberty City – in dem im übrigen sowohl Jenkins als auch McCraney ohne sich zu kennen aufgewachsen sind – gejagt, flüchtet der zehnjährige Junge in ein Wohnhaus, wo er von dem Drogendealer Juan (Mahershala Ali: Oscar für den besten Nebendarsteller) entdeckt und nach Hause gebracht wird. In Folge werden Juan und seine Frau Teresa zu einer Art Ersatzfamilie. Denn Littles Mutter hat wenig Zeit für ihren sensiblen und in sich zurückgezogenen Sohn. Daran ändert sich auch im Laufe des Films wenig. Immer mehr verfällt die Frau ihrer Crack-Sucht – ihr Dealer, niemand anderer als der sich liebevoll um Little kümmernde Juan.
Von ihm lernt Little auch, dass es okay ist schwul zu sein – Little selbst ist sich über seine sexuelle Neigung jedoch noch gar nicht im Klaren als ihn sein Umfeld bereits in die passende Schublade steckt. „Wie wir darauf reagieren definiert unseren Konflikt mit dieser Situation und hat einen enormen Einfluss auf den weiteren Verlauf unseres Lebens“, behauptet McCraney und lässt Little, der im zweiten Teil des Films bereits von allen Chiron genannt wird, nach einer Schlägerei auf dem Schulhof zu einer drastischen Aktion greifen. Im dritten Teil des Films wird aus Chiron „Black“. Er ist mittlerweile ein gestandener Mann, der es gelernt hat, seine Verletzlichkeit hinter einem Berg von Muskeln zu verstecken. Und doch wohnt in seinen Augen irgendwo noch der kleine Junge von damals.
Gefühl statt Geplapper
Das Besondere an „Moonlight“ liegt vor allem in der Art und Weise der visuellen Darstellung der Geschichte – eine Geschichte, die mit wenigen Worten auskommt. Denn anders als viele Filme, die in sozial armen Gegenden Amerikas spielen, setzen Jenkins und sein Team auf die Übermittlung von Gefühlen. Anstelle von Enge erzeugenden Aufnahmen wie sie in vielen dokumentarischen Ghetto-Filmen üblich sind, bekommen die Zuseher die Weite von Miami regelrecht zu spüren. Schwarze glänzende Haut unter der sengenden Hitze Floridas: Eine optische Darstellung, die Jenkins als Bestandteil seiner Kindheitserinnerungen wichtig war einzufangen.
Um das Glänzen und die richtige Stimmung zu vermitteln war die Auswahl des Filmmaterials von besonderer Bedeutung. So verwendete Kameramann James Laxton, mit dem Jenkins auch schon in seinem ersten Spielfilm zusammengearbeitet hatte, für jeden der drei Teile unterschiedliches Filmmaterial. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. „Moonlight“ ist ein poetisches Werk geworden, dessen Stärke nicht zuletzt in den kleinsten Regungen der Schauspieler liegt.
Moonlight. Ein Film von Barry Jenkins. Mit Alex Hibbert, Ashton Sanders, Trevante Rhodes, Naomie Harris und Mahershala Ali. USA 2016. 111 Minuten.
Kinostart: 10. März 2017
© Fotos: Thimfilm
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